Holocaust-Gedenktages 2020: Tannenberg – ein Arbeitslager in Altensothrieth/Unterlüß Außenstelle des KZ Bergen-Belsen
HERMANNSBURG. Anlässlich des Holocaust-Gedenktages 2020 findet am 26. Januar 2020 ab 19.30 Uhr eine Gedenkt-Veranstaltung im Ludwieg-Harms-Haus in Hermannsburg, Harmsstraße 2, statt. Die Referenten Wilfried Manneke, Hendrik Altmann und Peter Heine werden sich des historisch bedeutsamen Themas “Tannenberg” annehmen. Die Moderation der Veranstaltung liegt bei Peter Buttgereit.
Als deutsche Truppen 1944 Ungarn besetzten, war Edith Balas, eine Jüdin, erst 14 Jahre alt. Edith und ihre Eltern wurden nach Auschwitz deportiert. Edith entging der Gaskammer nur, weil sie sich als 16-jährige ausgegeben hatte. Somit galt Edith als arbeitsfähig. Mit anderen Frauen wurde sie in einen Viehwaggon gepfercht und in das „Tannenberglager“ gebracht. Auf ihrer Häftlingskleidung stand die Nummer 463.
Zwischen August 1944 und April 1945 existierte bei Altensothrieth – rund 4 km westlich von Unterlüß – ein Außenlager des KZ Bergen-Belsen, das sogenannte „Tannenberglager“. Es bestand aus mindestens sechs Baracken, in denen unter anderen die weiblichen jüdischen Häftlinge untergebracht waren, die insbesondere aus dem KZ Auschwitz kamen.
In den vorhandenen Zeitzeugenberichten wird neben der körperlich schweren Arbeit, mangelnder Ernährung, Krankheiten und Kälte, auch die rohe Behandlung durch das Wachpersonal beschrieben. Die Frauen schliefen auf Strohmatratzen. Zu essen gab es am Tag meist nur eine Suppe. Die Frauen arbeiteten täglich mindestens 12 Stunden. Sie mussten unter anderem Straßen- und Gleisbauarbeiten verrichten – später wurden sie auch in der Rüstungsproduktion eingesetzt.
Kurz vor Kriegsende erfolgte die Räumung des Lagers. Man brachte die Frauen in das KZ Bergen-Belsen. Dort mussten die Frauen noch bis zum 15. April ausharren, dem Tag der Befreiung duch britische Truppen.
Die Zustände in Bergen-Belsen waren verheerend. Hunderte von Leichen lagen auf dem Boden. Typhus und Ruhr wüteten. Schon nach wenigen Tagen hatten sich die Häftlinge aus Unterlüß angesteckt, viele starben.
Trotz der heute noch auffindbaren Relikte geriet das Tannenberglager in Vergessenheit. Vor diesem Hintergrund stellt die Aufarbeitung der historischen Zusammenhänge aus heutiger Sicht eine geschichtsbewußte und zugleich inhaltlich anspruchsvolle Aufgabe dar.
Darum bemüht sich seit über zwei Jahren eine überparteiliche Gruppe in der Gemeinde Südheide, in Zusammenarbeit mit der Rheinmetall AG, die sich ebenfalls an der Aufarbeitung beteiligt. Auch die Gemeindeverwaltung Südheide unterstützt das Projekt. Ein Ziel ist die Errichtung einer Gedenkstätte in Unterlüß,an der respektvoll an die Insassen der Unterlüßer Lager erinnert werden soll
Der Holocaust-Gedenktag 2020 greift das Thema „Tannenberg“ ebenfalls auf. Seit 1996 veranstaltet der SPD-Ortsverein Südheide (bis 2014 Hermannsburg) in Zusammenarbeit mit dem überparteilichen Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ Berlin, den Gedenktag in diesem Jahre zum 25. mal.
Drei Referenten stehen zur Verfügung:
Wilfried Manneke, Pastor i. R., dem 2018 der Paul-Spiegel-Preis für Zivolcourage verliehen wurde, setzt sich seit Jahren gegen Rechtsradikalität ein, tritt Neo-Nazis mutig entgegen. Edith Balas veröffentlichte 2010 das Buch „Vogel im Flug“, in dem sie auch ihre ca acht Monate Zwangsarbeit im „Tannenberglager“ schildert. Das Buch wurde 2013 ins Deutsche übersetzt und die Autorin schickte 4 Exemplare an die Gedenkstätte Bergen-Belsen, die eines davon auch an Wilfried Manneke weiterleitete. Er bedankte sich bei Edith Balas und erhielt nach dem Tod des Übersetzers die restlichen übersetzten Exemplare, die er verteilte. Pastor Manneke wird an das Schicksal von Edith Balas erinnern.
Hendrik Altmann, geb. 1987, Wirtschaftsjurist,Heimatforscher und ehrenamtlich Beauftragter für die archäologische Denkmalpflege wurde im Rahmen von Recherchen in historischen Karten der Unterlüßer Umgebung auf das „Tannenberglager“ aufmerksam. Das Lager war im Maßstab 1:25.000 in einem Messtischblatt des britischen War Office verzeichnet. Nachdem er ermittelt hatte, dass sich dort ein KZ-Außenlager befunden hat, stellte er weitere Nachforschungen mittels Zeitzeugenberichten und in Archiven an. In seinem Blog „Found-Places-Heimatforschung im Raum Celle“ sowie in den lokalen und regionalen Medien berichtete er darüber.
Peter Heine wurde 1955 in Unterlüß geboren. Es gab dort einen „Lagerkomplex“. Eine Baracke weckte das Interesse von Peter Heine. Er wollte wissen,welche Funktion sie im Krieg hatte. So begann er im März 1995 mit Recherchen, die bis heute immer noch viele Fragen offen lassen.Die Nachforschungen beschränken sich in erster Linie auf ausländische Fremd- und Zwangsarbeiter, das Arbeitserziehungslager (AEL), auf das Säuglingsheim und auf die jüdischen Insassen des Tannenberglagers.
Veranstalter ist der SPD-Ortsverein Südheide in Zusammenarbeit mit dem überparteilichen Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ Berlin
Vorheriger Beitrag Nächster Beitrag