Vor gut einem Jahr haben entschlossene Antimilitarist*/innen vor und in dem BAFA gegen deutsche Rüstungsexporte demonstriert, gegen Exporte von Waffen, die weltweit Kriege befeuern.
Heute bin ich als einer dieser Demonstrant*/innen angeklagt, nach dem Willen der Staatsanwaltschaft sollen viele weitere vor Gericht.
Der Vorwurf klingt absurd – wir sollen den Hausfrieden gebrochen haben. In diesem Haus gibt es jedoch keinen Frieden den wir brechen konnten, schließlich ist das BAFA Teil eines bürokratischen Komplexes, der Waffenexporte aus Deutschland in Kriegs- und Krisengebiete möglich macht. Was wir gebrochen haben, war höchstens die gespenstische Ruhe, die geschäftige Normalität, die in diesen tödlichen Genehmigungsverfahren liegt.
Die Unterschriften aus dieser Behörde sind notwendig, damit deutsche Firmen Gewinne mit dem Export von Kriegsgerät machen können. Die Unterschriften dieser Behörde sind notwendig, damit mit diesen Waffen in den Exportregionen Menschen ermordet, verletzt und unterdrückt werden können.
Genau das ist der Grund, warum wir alle vor Gericht zitiert werden. Nicht, weil wir uns - ohne um Erlaubnis zu bitten - im Foyer einer Bundesbehörde aufgehalten haben, sondern weil wir Anklage erhoben haben: gegen das tödliche Handeln des BAFA, gegen die deutsche Kriegspolitik.
Mit dieser Repression sollen wir eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht werden. Doch das wird nicht gelingen. Zum Einen sind wir der sichtbare Teil des Eisberges von über 80% der Menschen in Deutschland, die sich gegen Waffenexporte in Kriegsgebiete aussprechen. Zum Anderen basiert unser Handeln auf tiefer Verbundenheit zu menschlichen Werten: Wir stehen ein für eine solidarische und friedliche Welt – ohne Grenzen und für alle! Wir stehen für ein Ende der Gewalt.
Seit ich denken kann, herrscht Krieg. Kein kalter Krieg, in dem von Blöcken und Kräftegleichgewichten gesprochen wird. Seit ich denken kann, herrscht Krieg, bei dem Bomben auf Dörfer abgeworfen werden, Kugeln Leben auslöschen und Hunger und Krankheiten den Rest erledigen. Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen, Kurdistan, Jemen, Syrien sind nur einige Beispiele, die besonders präsent sind. Deutsche Zusammenarbeit mit Staaten, in denen die Menschenrechtsverletzungen Regel statt Ausnahme sind, ist alltägliche Normalität:
Sofort kommt mir die Zusammenarbeit mit den Verbrechern der libyschen Küstenwache in den Sinn oder die Genehmigung von Waffenexporten von Dynamit Nobel nach Mexiko, während gleichzeitig Gerichtsverfahren gegen Heckler und Koch wegen illegaler Exporte nach Mexiko liefen...
Ich möchte kurz darstellen, was das mit meinem Leben zu tun hat:
Ich bin aufgewachsen in der Lüneburger Heide, wo vor dem Zweiten Weltkrieg der Panzerkrieg trainiert wurde – bis heute wird diese Landschaft als einer der größten NATO-Truppenübungsplätze missbraucht.
Der Kriegseinsatz der Bundeswehr in Jugoslawien war nicht nur eine Zäsur in der Außenpolitik der BRD, auch Neonazis kämpften als Teil von Söldnertruppen am Boden. Einer von ihnen war Mitglied faschistischer Strukturen aus dem Celler Landkreis.
Während wenige Jahre später im Irak die Bevölkerung unter dem Krieg litt oder flüchtete, kehrten britische Invasionstruppen zurück in ihre Kaserne nach Celle. Sie wurden bejubelt und zu Ehrenbürgern erklärt, während der Protest durch die britische Militärpolizei von der Straße geprügelt wurde.
Wenige Kilometer von meinem Wohnort entfernt werden bis heute vom Rüstungskonzern Rheinmetall Panzer gebaut. Die Bilder Der Einsatz dieser Leopard-Panzer im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Türkei gegen die demokratische Konföderation Nord- und Ostsyrien sind ein Symbol für die Beteiligung deutscher Waffen an Kriegen weltweit.
Gleichzeitig lebe ich in Celle gemeinsam mit Menschen, die als Êzîd/innen und Kurd/innen vom türkischen Staat und dem sogenannten IS verfolgt wurden und werden. In ihrer Heimat wurden sie aufgrund ihres Glaubens, ihrer Kultur und Identität unterdrückt, gefoltert und getötet.
Ich hatte die Möglichkeit ihre Heimat zu besuchen und wurde dort Zeuge der türkischen Unterdrückung und Gewalt des türkischen Faschismus/des türkischen Regimes, aber auch - und das beeindruckte mich nachhaltig – des Strebens der kurdischen Freiheitsbewegung für ein geschlechtergerechtes und wirklich demokratisches Miteinander. Zu sehen, mit welcher Freude Menschen trotz grausamer Erlebnisse für eine bessere Zukunft kämpfen und konkret ein solidarisches Leben organisieren, hinterlässt Spuren.
Für mich ist es keine Option, die alltägliche Gewalt dieses Systems zu akzeptieren, das zutreffend als kapitalistisches Patriarchat bezeichnet wird. Ich bin der Überzeugung, dass eine andere Welt möglich ist. In meinem Leben konnte ich lernen, dass Frieden und ein solidarisches Miteinander nicht gewählt werden kann, sondern dass wir gemeinsam dafür leben und kämpfen müssen. Ansonsten werden Menschenrechte auch weiterhin Privilegien bleiben, die in erster Linie weißen reichen Männern und ihren Unterstützenden vorbehalten bleiben.
Meine Erfahrungen sind nichts Besonderes, sie sind das, was wir wahrnehmen, wenn wir wenige Augenblicke mit offenen Augen und einem offenen Herzen durchs Leben gehen. Wenn wir nicht blind werden vom Kitsch und der Werbung, nicht taub werden von der brutalen Normalität, nicht stumm von der scheinbaren Hoffnungslosigkeit.
Die vielen weltweiten Kämpfe für ein würdevolles Leben ohne Unterdrückung, Ausbeutung und Zerstörung sind der Garant dafür, dass wir nicht verlernen zu sprechen und zu handeln. Sie sind der Garant dafür, dass wir die Zukunft nicht aufgeben, sondern ein freies Leben aufbauen werden.
Darum gilt unsere internationale Solidarität allen, die für Gerechtigkeit und Frieden kämpfen. Und weil es tagesaktuell ist – unsere Solidarität gilt natürlich auch der Guerilla der kurdischen Freiheitsbewegung und der autonomen Frauenguerilla, die sich in den Bergen Kurdistans gegen die Invasion des türkischen Militärs zur Wehr setzen.
Es war genau richtig, dass wir in Eschborn gegen das BAFA demonstriert haben. Es wird auch weiterhin richtig sein, gegen Profiteure der Kriegsindustrie und ihre Möglichmacher aktiv zu werden. Denn im Gegensatz zu ihnen, stehen wir für internationale Solidarität und – für ein Ende der Gewalt!