Der Dorfplatz ist wieder leer, das große Zirkus- sowie die Workshop-Zelte und die Küche sind abgebaut, ebenso wurden die Transparente abgehängt, welche die Absichten und Ziele des Camps verdeutlichten. Es war eine Woche voller Programm, Spontanität, Entschlossenheit, Wut, Trauer, Gedenken, Bildung, Kultur und ein Ansatz von basisdemokratischem Leben. Das alles mit vielen unterschiedlichen Menschen, die durch den Willen von Frieden und Abneigung von Krieg vereint, sich zusammengefunden haben, um eine entschlossene aktivistische Protestwoche zu gestalten.
Das Camp hatte am 29. August 2918 unter Schwierigkeiten gestartet. Denn bis zu dem Tag war unklar, ob das Camp überhaupt in aller Form stattfinden konnte, da die Behörden unter dem Einfluss des Unternehmens 'Rheinmetall' versuchten, die Versammlung zu verhindern oder zu erschweren. Dies geschah vor allem durch ein Schlafverbot auf dem Camp, welches jedoch im letzten Moment durch das Klagen der Organisator/innen vor Gericht aufgehoben wurde.
Damit konnte es los gehen: Am Mittwoch den 29.8. wurde gemeinsam aufgebaut. Gemeinschafts-Zelte – für Bildung, Diskussionen, Beisammensein und auch Schlafen – Strom, Wasser, Transparente und Ähnliches wurden aufgestellt. Am Donnerstag begann das inhaltliche Programm mit Vorträgen und Diskussionen zu verschiedenen Themen, wie Aufstandsbekämpfung, Krieg, Banken und Patriarchat und ihre Verbindungen zueinander. Am Freitag folgten Workshops mit Inhalten zu Kurdistan und der aktuellen Situation des Freiheitskampfes der KurdInnen sowie einem Vortrag zu den gesundheitlichen Folgen von Rüstungsproduktion.
Zum Wochenende hin kamen immer mehr TeilnehmerInnen aus unterschiedlichsten Städten und Organisationen zusammen, was den Protest noch lebendiger machte. So fanden am Wochenende verschiedene Aktionen statt: Am frühen Freitagmorgen entstand, noch vor den Workshops, eine 'kritische Masse' aus vorwiegend FahrradfahrerInnen, die ArbeiterInnen und Anlieferungen von Rheinmetall ein wenig entschleunigten und für die ein oder andere Verspätung sorgten.
Am Samstag den 1.9., dem internationalen Antikriegstag war das Programm sehr vielfältig. Es begann mit kleinen musikalisch begleiteten Aktionen im Unterlüßer Dorf, wobei die AktivistInnen mit der Bevölkerung ins Gespräch kamen. Der Einladung, ins Camp zu kommen, folgten manche DorfbewohnerInnen mit großem Verständnis und Interesse. Nach einem gemeinsamen Mittagessen gab es einen geschichtlichen Schwerpunkt: Fast alle CampteilnehmerInnen zogen zu einem abgelegenen Ort außerhalb Unterlüß, zum Tannenberg in Altensothriet. Dies ist ein vergessener Ort, wo kaum ersichtlich die Überreste eines ehemaligen Zwangsarbeiterlagers ruhen. Dieses war ein Außenlager des Konzentrationslagers Bergen-Belsen für jüdische ZwangsarbeiterInnen, die aus dem KZ-Ausschwitz „selektiert“ und deportiert und zur Arbeit u.a. für Rheinmetall gezwungen wurden. Die Gräueltaten und der Ort sind fast vergessen, der Kriegskonzern entzieht sich bisher jeglicher Aufarbeitung dieser und weiterer Geschehnisse.
Die TeilnehmerInnen der Gedenk-Aktion legten Blumen nieder und errichteten eine kleine Gedenktafel – mit diesem Moment bekam der Widerstand eine historische Verbindung, ganz im Geiste und im Sinne des Ausrufs für Frieden: „Nie wieder Faschismus, Nie wieder Krieg“. Auf dem Rückweg zum Camp wurde der Zaun des Waffenherstellers über Kilometer hinweg mit pinken Kreuzen und verschiedenen Sprüchen sowie Transparenten versehen, um nochmals zu verdeutlichen: Krieg beginnt hier.
Am Sonntag fand schließlich die sehr bunte und sehr laute Demonstration mit über 500 TeilnehmerInnen statt, zu der das breite Bündnis von über 70 Organisationen aufgerufen hatte. Es beteiligten sich neben Menschen aus ganz Deutschland auch viele UnterlüßerInnen an dem Aufzug, der bis vor das Haupttor von Rheinmetall zog.
Am Montag Morgen kam es zu einer erfolgreichen Blockade der Zufahrtsstraße zum Neulüßer Rheinmetall-Werk, durch die der Betriebsablauf und vor allem Anlieferungen verzögert werden konnten. Die Aktionsankündigung im Vorfeld hatte auch schon einen gewissen Effekt, denn Rheinmetall forderte die eigenen MitarbeiterInnen zum Urlaub auf und minimierte den Betrieb. Auch wenn die Aktionen vor allem symbolisch zu bewerten sind, wurde doch ein reibungsloser und klammheimlicher Ablauf der Waffenproduktion bei Rheinmetall gestört.
Zum Abschluss des Camps gab es eine Auswertung, über die vergangene Woche und einen Ausblick, dass es mit den Protesten gegen Rheinmetall, aber auch andere Waffenproduzenten, weitergehen wird, sowohl in Unterlüß, als auch anderswo, wie unter anderem am 21.9. in Kassel. Alle Beteiligten waren mit der Woche sehr zufrieden, jedoch auch mit dem Anspruch vereint, dass die Bewegung gegen Waffenproduktion und Krieg viel größer und stärker werden muss. Das Zusammenleben im Camp hat für alle beeindruckend funktioniert und es war möglich, die Räume gemeinsam und gleichberechtigt zu gestalten. Es gab viel Raum für Kreativität und Austausch, welcher sehr bereichernd und interessant war.
Viele Menschen sind gegen Krieg und Waffenexporte. Langsam werden es mehr, die auch dagegen aufstehen, Aktionen machen, sich andere Wege ausdenken, um in diese widerliche Profitlogik mit Tod und Zerstörung einzugreifen. Dabei ist das Camp „Rheinmetall entwaffnen“ nur als ein Teilaspekt zu bewerten, der aber die Thematik auffasst, dass Krieg auch gerade hier, in den Waffenproduktionsländern beginnt und damit eine große Mitschuld an Leid und Tod in aller Welt besteht. Es gibt eine lange Tradition antimilitaristischer Aktionen und Kämpfe und es wird weitere geben. Wir werden die Zerstörung der Welt auf allen Ebenen nicht länger hinnehmen und decken dabei die Verbindungen des kapitalistisch-patriarchalen Systems auf, welches sich gegen Leben, Natur, Frieden und Freiheit richtet. Die Aktionen und Menschen werden mehr werden und somit auch der Widerstand