In Unterlüß markierten wir den Weg, den die jüdischen Zwangsarbeiterinnen vom KZ Tannenberg zum Rheinmetall-Werk zurücklegen mussten, u.a. mit Baumbinden. Der Stoff war den Streifen der Häftlingskleidung nachempfunden und trug Namen der wenigen überhaupt nur namentlich bekannten Frauen. Lediglich 53 Namen können dem Lager zugeordnet werden.
Die Idee der Baumbinden haben wir aus der Erinnerungsarbeit zum Frankfurter Konzentrationslager Katzbach übernommen.
Eine Künstlerin hat Baumbinden aus dem Stoff der Häftlingskleidung mit den Nummern der dort inhaftierten Zwangsarbeiter*innen beschriftet und im Stadtgebiet Frankfurt a.M. an vielbefahrenen Straßen angebracht.
Die Initiative bekam große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit:
KZ Katzbach mitten in Frankfurt am Main
Das größte Fahrradunternehmen des deutschen Kaiserreiches avancierte im 1. Weltkrieg zu Frankfurts größtem Rüstungsbetrieb. Während des Nationalsozialismus produzierten die Adlerwerke fast ausschließlich für die Wehrmacht.
Bereits im Juli 1941 entstanden Baracken für französische Zivilarbeiter auf dem Gelände zwischen Werk I und II, das 1938 “arisiert” wurde (Enteignung jüdischer Unternehmer).
Ab 1942 wurden vor allem russische Kriegsgefangene nach Frankfurt verschleppt. Nach einem Luftangriff im April 1944 mit schweren Zerstörungen forderten die Adlerwerke KZ-Häftlinge an. Ab August 1944 war das KZ-Adlerwerke, ein Außenlager des KZ-Natzweiler fertiggestellt und erhielt den Decknamen „Katzbach“. Es befand sich direkt auf dem Werksgelände, mitten im Gallusviertel in Frankfurt am Main.
Die Organisation des Lagers war zwischen SS und Werk aufgeteilt. Das Konzept “Vernichtung durch Arbeit” erlaubte den Adlerwerken den vollständigen Verschleiß von Arbeitskräften durch eine Rücknahme- und Ersatzgarantie für die Kranken und Toten. Die insgesamt ca. 1.600 Zwangsarbeiter im KZ Katzbach wurden von der Werksleitung vor allem in den KZs Buchenwald und Dachau ausgesucht. Viele waren nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstands im August 1944 verschleppt worden. Die Todesrate im KZ Adlerwerke übertraf die aller hessischen KZ-Außenlager.
Die Häftlinge mussten 84 Stunden in der Woche in ungeheizten, teils zerstörten Hallen arbeiten. Gewalt und Schikane waren alltäglich. Die Menschen verhungerten oder fielen, völlig geschwächt, Krankheiten zum Opfer. Fluchtversuche wurden mit öffentlicher Hinrichtung bestraft.
Vor dem Einmarsch der Amerikaner hatte man in den Adlerwerken dafür gesorgt, möglichst alle Beweise für die Existenz des KZ zu beseitigen. Erst Monate später wurden Militärbehörden durch das Feuerbestattungsbuch des Hauptfriedhofes darauf aufmerksam. Dort sind 528 Häftlinge begraben. Danach begannen erste Ermittlungen.
Die Installation : MITTEN UNTER UNS war eine Installation im öffentlichen Raum zum Gedenken an die ehemaligen Häftlinge des KZ-Außenlagers Adlerwerke im Gallusviertel. Von August 1944 bis März 1945 wurden in den Adlerwerken etwa 1600 Häftlinge nach dem Prinzip „Vernichtung durch Arbeit“ interniert. Die meisten Männer waren Polen, einige von ihnen jüdische Deutsche oder Russen. Unmenschliche Arbeits- und Lebensbedingungen, Hunger, Gewalt und Krankheiten führten dazu, dass nur Wenige die Inhaftierung überlebten. Stefanie Grohs gedeachte mit ihrer Installation der Opfer: Jede der 1600 Stoffbinden, angebracht an Bäumen, erinnert an einen der Häftlinge. Somit nahm die Künstlerin Bezug auf die Geschehnisse, die sich damals „mitten unter uns“ ereigneten.
Die Künstlerin
Stefanie Grohs hat im Jahr 2015 im Stadtgebiet rund 1600 Stoffbinden an Baumstämmen angebracht hatte. Die gestreiften Binden orientierten sich an der Häftlingsbekleidung, sorgten in der Stadt monatelang für Aufsehen und sollten die rund 1600 Todesopfer des Frankfurter KZs repräsentieren.
Grohs: „Alles hat damit angefangen, dass ich die Geschichte meiner eigenen Familie nachvollziehen wollte, die allerdings eher im Bereich des Tätervolks angesiedelt ist, und bei der Recherche bin ich dann in der Gedenkstätte in Auschwitz gelandet, was so ein Schockerlebnis war, dass ich das starke Bedürfnis entwickelt habe, mich dazu zu positionieren.“ Von der ehemaligen Existenz eines KZs in Frankfurt hat sie erst später erfahren und festgestellt, dass es viele Menschen in der Stadt gibt, die das nicht wissen, auch Leute die ihr ganzes Leben hier verbracht haben. Deshalb hat sie überlegt, wie diese Tatsache in das Bewusstsein der heutigen Bevölkerung zu bringen sei und so sei die Idee mit den Stoffbinden entstanden.
Nachdem die Stadt Frankfurt jahrzehntelang eher daran interessiert gewesen ist, Katzbach totzuschweigen, hat sich, zusammen mit der Installation und zwei weiteren Kunstprojekten, die finanziell unterstützt wurden, das Interesse der aktuellen Stadtregierung an zumindest einem aktiven Erinnern gezeigt.
Neben ihrem künstlerischen Engagement ist Grohs auch Mitglied eines Fördervereins, der sich für die Errichtung einer Gedenkstätte zum KZ Katzbach einsetzt.