Am 8. Mai 2018 fand die Jahreshauptversammlung der Rheinmetall AG im Maritim Hotel Berlin statt. Wie seit Jahren wurde auch diese Aktionärsversammlung von Protesten begleitet. Die Kundgebung der Kriegsgegner fand diesmal weit ab des Zugangsbereiches zum Hotel und außerhalb der Sichtweite der eintreffenden AktionärInnen statt. Wir wollten das so nicht hin nehmen und haben versucht mit einem Transparent vor dem Hotel unseren Protest sichtbar zu machen.
Der Text unseres Transparentes lautete 8.Mai 1945 - damals wie heute - War starts here, let's stop it here. Rechts daneben war das Firmenlogo der Rheinmetall Ag mit einem dicken roten Kreuz durchgestrichen. Farblich war das Transparent in den Farben der kurdischen Freiheitsbewegung gehalten.
Der Bezug auf die kurdische Bewegung ist uns dabei in mehrfacher Weise wichtig.
Nur wenige Wochen vor der Jahreshauptversammlung meldete die Türkei nach ihrem völkerrechtswidrigen Einmarsch in den syrischen Kanton Afrin den Sieg über die dortige kurdische Selbstverwaltung und deren Volksverteidungskräfte YPG und YPJ. Eine weitere Etappe im Krieg des Erdogan-Regimes gegen die kurdische Befreiungsbewegung. Aktuelles Ziel ist die Zerschlagung der kurdischen Selbstverwaltungsstrukturen im gesamten syrischen Teil Kurdistans / Rojava. 2,5 Jahre zuvor bombardierte die türkische Luftwaffe über Wochen nahezu alle größeren Städte im türkischen Teil Kurdistans (Bakur) um den Willen der Bevölkerung nach politischer Partizipation und Selbstverwaltung, der sich in der massenhaften Wahl kurdischer BürgermeisterInnen und der HDP ausdrückte zu brechen und setzte in den Stadtverwaltungen Statthalter der AKP ein. 2016 marschiert das türkische Militär in Nord-Aleppo ein, um die drohende Niederlage der dort agierenden Islamisten von IS und Al Nusra ab zu wenden.
In Afrin betreibt die Türkei nun mit Hilfe ihrer islamistischen Banden einen systematischen Austausch der Bevölkerung, der mit Enteignungen, Vertreibung und tagtäglichen Menschenrechtsverletzungen einher geht.
Es ist ein Krieg den man mit Fug und Recht als Made in Germany bezeichnen kann.
Ein großer Teil der von der türkischen Armee und ihren islamistischen Verbündeten eingesetzten Waffen stammen aus Deutschland oder werden unter deutscher Lizenz in der Türkei produziert.
Die Liste der beteiligten Rüstungskonzerne und Kriegsgewinnler ist lang. Sie umfasst neben Rheinmetall auch Kraus Maffei, Heckler und Koch, Mercedes Benz, MTU, Renk, Blohm und Voss, HDW um nur einige zu nennen. Rheinmetall stand während des türkischen Einmarsches besonders in der Kritik, weil sie kurz zuvor einen fetten Modernisierungsdeal der türkischen Leopard 2 Panzer - Flotte mit dem türkischen Regime ausgehandelt hatten und in einem Jointventure mit dem türkischen Rüstungskonzern BMC eine eigene Panzerfabrik in der Türkei aufbauen wollten.
Rheinmetall steht dabei exemplarisch für die enge Verbundenheit zwischen Rüstungsindustrie und Bundesregierung. Im Fall der Türkei wird klar, worin die strategische Bedeutung der Rüstungsindustrie neben der Aufrüstung der eigenen Streitkräfte besteht.
Die Waffenbruderschaft zwischen Deutschland und der Türkei hat eine lange Tradition, an die mit dem Eintritt der Türkei in die NATO angeknüpft wurde.
Von Anfang an war es Ziel der BRD den strategischen Partner Türkei militärisch zu stärken und auf zurüsten, und damit die eigenen Interessen in der Region ab zu sichern.
Ein autoritäres türkisches Regime kommt da gerade recht, kein Massaker und kein Militärputsch stört das Bild.
Neben der Lieferung von Waffen und Munition ging es auch immer darum die Türkei zu einer eigenständigen Waffenproduktion zu befähigen. So wird das deutsche G3 Gewehr seit 1967 unter deutscher Lizenz vom türkischen Konzern MKE gefertigt.
Anfang der 90er Jahre wurden große Bestände an Rüstungsgütern der ehemaligen NVA
(300 Radpanzer,256.000 MG's,) an den NATO-Partner verschenkt.
Waffen die das türkische Regime für den Krieg gegen seine kurdische Bevölkerung gut gebrauchen konnte. Tausende kurdische Dörfer und Ortschaften wurden damals unter Tansu Ciller niedergebrannt und dem Erdboden gleich gemacht.
Flankiert wurde dies hierzulande mit einer flächendeckenden Kriminalisierung der kurdischen Exilbewegung und letztlich dem PKK-Verbot.
Eine der letzten Amtshandlungen der Rot-Grünen Bundesregierung 2006 war die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung von Leopard 2 Panzern (354 Stck) an die Türkei, die keine der sonst üblichen Nutzungsbeschränkungen vorsah.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht das das türkische Militär eben jene Panzer bei Ihrer Invasion in Afrin offen zur Schau trug.
Das Geschäft mit den Waffen floriert. Trotz der bekundeten Lieferstopps hat sich der Umfang deutscher Lieferungen an die Türkei seit 2015 verfünffacht. (2015: 40mio, 2018:200mio)
Der völkerrechtswidrige Einmarsch der Türkei in Afrin wurde von der Bundesregierung weitgehend ignoriert oder - , ebenso wie zuvor die Bombardierung der eigenen Bevölkerung in Bakur oder die türkischen Militäroperationen in Aleppo und im Irak mit Beschwichtigungsfloskeln relativiert.
Im gleichen Atemzug wurde in alter Gefälligkeit der Druck auf die hiesige kurdische Exil- Bewegung und die türkische migrantische Linke die sich solidarisiert verstärkt. Probates Mittel ist der §129b der exzessiv gegen die politischen Organisationen vor allem der kurdischen aber auch der türkischen Linken eingesetzt wird. Die juristische Argumentation kommt dabei direkt aus Erdogans Justizministerium. Jede fortschrittliche politische Struktur der kurdischen Bewegung wird per se als Tarnorganisation der PKK umgedeutet und kriminalisiert. Nahezu alle Symbole der kurdischen Bewegung sind mittlerweile verboten und auch die deutsche Solidaritätsbewegung steht zusehends im Fadenkreuz der Gesinnungswächter.
Wie eng die Zusammenarbeit der deutschen Justiz mit Ankara ist kann man an dem zur Zeit in München stattfindenden TKP-ML-Verfahren beobachten. Nahezu alle belastenden „Beweise“ der Staatsanwaltschaft stammen aus mehr als zweifelhaften Erkenntnissen des türkischen Geheimdienstes und werden ungeprüft übernommen.
Das ideologische Dogma zur kurdischen Bewegung kann man in der jüngst erschienenen Broschüre des Verfassungsschutzes zur PKK - Ghostwriting by AKP - nachlesen.
Wir sind Teil der Solidaritätsbewegung für ein freies Rojava und beziehen uns positiv auf das Gesellschaftsmodell der kurdischen Bewegung.
Der demokratische Konföderalismus ist der Versuch eine Gesellschaft weitestgehend Basisdemokratisch zu organisieren und Jeder und Jedem die Teilhabe am politischen Prozess zu ermöglichen. Die kurdische Bewegung hat erkannt, dass neben kapitalistischen und rassistischen Gewalt- und Machtverhältnissen vor allem die patriarchale Unterdrückung der Frau das größte Hindernis auf dem Weg zu einer befreiten Gesellschaft darstellt. Vor diesem Hintergrund findet in Rojava ein beispielloser Umbruch statt. Kein politisches Amt, das nicht paritätisch besetzt ist, keine gesellschaftliche Struktur in der sich Frauen nicht selbst organisieren können. Vom Stadtteilrat bis hin zu den eigenständig organisierten Sicherheitskräften (den Asayisch und YPJ) ermächtigen sich die syrischen Frauen ihre Belange selbst in die Hand zu nehmen.
Das ist ein Prozess der uns in seiner gesellschaftlichen Breite tief beeindruckt und von dem wir viel lernen können und wollen.
Das Projekt Rojava ist nicht nur für den sog. nahen und mittleren Osten zukunftsweisend. Es gibt auch uns die Hoffnung zurück, dass es Möglich ist eine Zukunft der Solidarität und des Miteinander auf zu bauen, wenn die Menschen ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen.
Deshalb gilt ihm unsere ungeteilte Solidarität!
Das mindeste was wir tun können ist den Kriegstreibern und Profiteuren hierzulande in die Suppe zu spucken.
Denn: War starts here, let's stop it here!