Volkssturm 24/29

Unterlüßer Volkssturm 24/29 räumt das Lager

Anfang April 1945 rückten britische Truppen stetig auf die Südheide zu. Am 04.04.1945 bombardierte die US Air Force die Anlagen von Rheinmetall-Borsig in Unterlüß. Dadurch wurde die Munitionsfabrik vollkommen zerstört. In Unterlüß und im KZ-Lager Tannenberg war der Kampfeslärm der nahen Front deutlich zu hören. Am 12. April 1945 wurde die Stadt Celle durch die britischen Truppen erfolgreich besetzt.

Angesichts dessen flüchteten Lagerverwaltung und SS-Wachmannschaften des KZ Tannenberg. Die überlebende Edith Balas schrieb später, dass nach der Flucht der SS der zivile Koch den Insassen des Frauenlagers sagte, dass sie nun frei seien. „Die Freude war unbeschreiblich; Wir hatten die fürchterliche Sklaverei überlebt! Unsere Freudenfeier war jedoch nur kurzlebig“, schreibt Balas. Schon am nächsten Morgen seien bewaffnete Zivilisten gekommen, hätte sie in Lastwagen gestoßen und in das Konzentrationslager Bergen-Belsen gefahren.

Tatsächlich handelte es sich bei den „bewaffneten Zivilisten“ um Einheiten des Unterlüßer Volkssturmbataillon 24/29. Der damalige Ortsgruppenleiter, Hermann Denecke, behauptete später, dass der Volkssturm angefordert worden sei, um die Jüdinnen mit Lastwagen nach Lüneburg zu bringen. Für diese Behauptung gibt es allerdings keinen Beleg. In Protokollen des Volkssturms u.a. Unterlagen konnte kein offizieller Befehl oder sonstige Anweisungen gefunden werden.

Ganz offensichtlich verschleppte der Unterlüßer Volkssturm die verbliebenen Überlebenden aus eigener Motivation. Niemand sollte etwas vom Lager hinter dem Tannenberg erfahren. Edith Balas schrieb später, dass die Unterlüßer kein Konzentrationslager in ihrer Nähe haben wollten, als die Alliierten eintrafen.

Während des Abtransports wurde eine der Frauen bei einem Fluchtversuch angeschossen. Die Überlebende Valerie Jakober-Furth berichtet, dass von den 500 Frauen ca. 300 in Bergen-Belsen starben.

Der Krieg war in Unterlüß erst am 13. April vorbei, als der Ort von britischen Truppen besetzt wurde.

Menschenjagd und Massaker in Celle

Gedenkplatte in CelleWas in Unterlüß der Volkssturm anrichtete, war in der Region kein Einzelfall: Wenige Tage zuvor erlebte Celle einen mörderischen Gewaltexzess, der sich sicher bis Unterlüß herumgesprochen hatte.
Am 8. Apri 1945 wurde durch einen alliierten Luftangriff auf den Güterbahnhof in Celle auch ein Transport von KZ-Häftlingen getroffen, bei dem es zahlreiche Opfer gab.

Trotzdem gelang es vielen Kindern, Frauen und Männern zu flüchten. Polizei, SS und Wehrmacht durchkämmten Celle und die Umgebung nach Entkommenen. Be- reitwillig wurden sie dabei von Celler Gruppen des Volkssturms und anderen Zivilis-
ten unterstützt. In den kommenden drei Tagen fielen dieser Menschenjagd mindestens 300 Menschen durch Erschießen und Erschlagen zum Opfer.

VolkssturmbindeDer Deutsche Volkssturm war eine militärische Formation in der Endphase des Zweiten Weltkrieges. Er wurde nach einem von der NSDAP ausgehenden propagandistischen Aufruf an alle „waffenfähigen Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren“ gebildet, um den „Heimatboden“ des Deutschen Reiches zu ver- teidigen. Ziel des Aufrufs war es, die Truppen der Wehrmacht zu verstärken. Die Bildung des Deutschen Volkssturms wurde am 18. Oktober 1944, dem 131. Jahrestag der Völkerschlacht von Leipzig, publik gemacht und zwei Tage später offiziell verkündet. Dadurch konnten erste Volkssturmverbände propagandawirksam vorgeführt werden, die auf einen Führererlass vom 25. September 1944 hin aufgestellt worden waren. Nach der deutschen Bevölkerungsstatistik wären etwa sechs Millionen Männer volkssturmpflichtig gewesen. Mit dem Geburtsjahrgang 1928 wurden Jugendliche eingezogen, die vollständig während der nationalsozialistischen Herrschaft sozialisiert worden waren. Siebzig Prozent des Jahrgangs meldeten sich freiwillig. Eine Verordnung Wilhelm Keitels vom 5. März 1945 dehnte die Wehrpflicht grundsätzlich auf die männlichen Angehörigen des Jahrgangs 1929 aus.
Wie viele Männer im Volkssturm Dienst taten, ist nicht bekannt. Generalmajor Hans Kissel, Chef des „Führungsstabes Deutscher Volkssturm beim Reichsführer SS“, schätzte, dass über 700 Volkssturm-Ba- taillone zu einem Einsatz mit Feindberührung kamen.