Interview

»Wir brauchen Krankenwagen statt Panzer«

Kampf gegen Rüstungskonzern: Aktivisten von »Rheinmetall entwaffnen« protestierten am Dienstag bundesweit. Ein Gespräch mit Cora Mohr

Gitta Düperthal

Anlässlich der Hauptversammlung des Rüstungskonzerns Rheinmetall gab es am Dienstag bundesweit Aktionen von »Rheinmetall entwaffnen« (jW berichtete). Was war das Ziel?

Wir wollten dem Konzern seine Hauptversammlung vermiesen, die er an dem Tag virtuell abhielt. Wegen des Coronavirus konnten wir den ursprünglich geplanten Sturm darauf nicht durchführen. Dass Rüstungsschmieden während der Pandemie weiter in Goldgräberstimmung sind, wollen wir dennoch nicht akzeptieren. Waffenproduktion und -exporte bleiben derzeit angesagt, Börsenexperten raten zum Kauf von Rüstungsaktien. Dabei brauchen wir mehr Geld für die Gesundheitsversorgung, Krankenwagen statt Panzer, gut ausgestattete Kliniken statt Bomben.

Um gegen Aufrüstung zu protestieren, haben wir in zwölf Städten und Gemeinden in der ganzen Republik zu lokalen Aktionen aufgerufen. Die fanden unter anderem in Berlin, Hamburg, Celle, Konstanz, Duisburg und Göttingen statt, wie auch in Ditzingen bei Stuttgart gegen den französischen Rüstungskonzern Thales. Die Aktivistinnen und Aktivisten kamen aus ganz unterschiedlichen politischen Spektren: Feministinnen, Unterstützer von kurdischen Solidaritätsinitiativen, Pazifisten und Antimilitaristinnen.

Im niedersächsischen Hermannsburg wurde vor dem Haus des Rheinmetall-Vorstandschefs Armin Papperger protestiert. Was war dort los?

Zunächst war die geplante Kundgebung verboten worden. Per Eilantrag beim Gericht konnten wir aber erreichen, nicht an einem entfernten Parkplatz demonstrieren zu müssen. Dort wurden Reden zu Krieg und der Rolle, die Rheinmetall dabei spielt, gehalten. Papperger war allerdings nicht zu Hause, sondern in Düsseldorf, wo sich die Vorstandsriege des Konzerns für die virtuell abgehaltene Hauptversammlung aufhielt.

Sie selbst protestierten am Dienstag vor der Kanzlei des Rheinmetall-Aufsichtsrats und ehemaligen Verteidigungsministers Franz Josef Jung in Eltville. Was war dort Thema?

Jung erhält für sein Mandat im Aufsichtsrat von Rheinmetall 75.000 Euro im Jahr. An seiner Person ist die Verflechtung von Rüstungskonzernen und politischen Entscheidungsträgern gut nachzuvollziehen. Die Waffenindustrie ist auf solch enge Verquickungen angewiesen.

Wir haben in Eltville über Jungs Machenschaften informiert, die mancher vielleicht in der Zwischenzeit vergessen haben könnte. Zum Beispiel welche Rolle er beim Massaker nahe dem afghanischen Kundus einnahm. Er musste zurücktreten, nachdem er den Bombenangriff auf zwei Tanklaster am 4. September 2009, bei dem mindestens 90 Zivilisten getötet wurden, zunächst als verhältnismäßig erklärt und zivile Opfer geleugnet hatte. Vor Jungs Kanzlei gab es Polizeipräsenz, die Beamten hielten sich allerdings zurück. Passanten und Presse verfolgten unsere Redebeiträge interessiert. Coronaschutzregeln haben wir eingehalten.

Die Waffenindustrie scheint bislang nicht unter den Folgen der Pandemie zu leiden. Warum nicht?

Die Bundesregierung hat sich, eingebunden in das Militärbündnis NATO, zum Aufrüstungsziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts bekannt. Daran hält sie auch in der Coronakrise fest. Kriege finden weiterhin statt, die Rüstungsindustrie erweist sich als krisenresistent. Dies wird besonders deutlich beim Mehrfrontenkrieg der Türkei gegen die kurdische Freiheitsbewegung. Aktuell liefert Rheinmetall Waffen an die Türkei über den Umweg Südafrika, vom deutsch-südafrikanischen Joint Venture »Rheinmetall Denel Munition« aus.

Was hoffen Sie, mit Protesten wie denen am Dienstag zu erreichen?

Wir wollen ein Zeichen gegen den Zynismus setzen, dass der Bundeshaushalt für das Militär den dreifachen Milliardenbetrag des Gesundheitssektors vorsieht. Gerade jetzt in der Pandemie zeigt sich, wie fahrlässig das ist. Wir werden weiterhin daran arbeiten, eine große Antikriegsbewegung zu organisieren. Die Bundesregierung muss zumindest die auf dem Papier existierenden Ausfuhrbeschränkungen umsetzen, nicht in Krisen- und Kriegsgebiete zu liefern. Sowohl am Jemen-Krieg beteiligte Länder als auch das bekanntermaßen faschistisch agierende AKP-Regime der Türkei dürfen keine Waffen mehr erhalten.

Cora Mohr ist Aktivistin des Bündnisses »Rheinmetall entwaffnen«

https://www.jungewelt.de/artikel/378707.protest-gegen-rheinmetall-wir-brauchen-krankenwagen-statt-panzer.html