Meldung in der HR Hessenschau vom 19.05.2020
"Krankenwagen statt Panzer"
Aktivisten demonstrieren vor der Kanzlei von Aufsichtsratsmitglied Franz Josef Jung gegen den Rüstungskonzern Rheinmetall
Von Barbara Dietel
ELTVILLE. Letztes Jahr stürmten Aktivisten bei der Hauptversammlung des Rüstungskonzerns Rheinmetall die Bühne, um gegen Waffenexporte zu protestieren, diesmal trafen sie sich in einigen Städten zu Mahnwachen, Fahrraddemos und Kundgebungen – auch in Eltville. Vor der Kanzlei von Franz Josef Jung (CDU), seit drei Jahren im Aufsichtsrat des Unternehmens, versammelten sich am Dienstag rund 40 Aktivisten während der parallel stattfindenden Hauptversamm- lung, die diesmal ins Internet verlegt wurde – ungestört von kritischen Stimmen und ohne Presse. Corona machte es möglich.
„Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in dieser Welt“, skandierten die Demonstranten, die zum größten Teil aus dem Rhein-Main- Gebiet angereist waren, aber auch aus Gießen, Rheinhessen oder Saarbrücken, mit kleinem Abstand vor den Fenstern der Kanzlei, an denen sich keiner zeigte. Auf Plakaten und in ihren Reden forderten die Aktivisten auf der Protestkundgebung, zu der in Eltville die Initiative „Rheinmetall entwaffnen“ aufgerufen hatte, ein Ende der Produktion von Rüstungsgütern. Zur Versammlung gekommen waren unter anderem auch Mitglieder der „Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“, die älteste Organisation der deutschen Friedensbewegung und Biker von den Motorradclubs „Kuhle Wampe“, in denen sich politisch interessierte Motorradfahrer organisiert haben.
Ein Rheingauer hatte sich auch unter die Protestler gemischt – wohlwissend, dass das Thema im Rheingau heikel ist.
Schließlich hätten im Rheingau viele vom Rüstungsgeschäft gelebt, erinnerte er an die Firma Fritz Werner in Geisenheim. Auch eine Eltvillerin, die zufällig vorbeikam, sympathisierte mit den Forderungen der Aktivisten. „Es ist ein Unding, wie viel Waffen hier produziert werden“, meinte sie. „Wenn wir es nicht machen, machen es andere“, sagte eine andere Frau, die sich nicht vorstellen konnte, dass der Protest viel bewirkt.
Rheinmetall habe gut verdient im vergangenen Jahr mit dem Export von Waffen und Munition in Kriegsgebiete und Kon- fliktregionen, so Cora Mohr von der Initiative „Rheinmetall ent- waffnen“. Statt Geld in die Aufrüstung zu stecken, die keine Sicherheit bringe, sei es viel besser angelegt für eine gute Gesundheitsversorgung für alle. „Krankenwagen statt Panzer“, forderte sie und als Sofortmaßnahme die Abschöpfung der 103 Millionen Euro, die der Konzern in diesem Jahr an seine Aktionäre ausschütte.
Die prall gefüllten Auftragsbücher verdankten die Rüstungskonzerne den Aufrüstungsbeschlüssen der Bundesregierung und den staatlich genehmigten Exportbewilligungen, ergänzte Christoph Brandt, ebenfalls Mitglied der Initiative „Rheinmetall entwaffnen“. Viel Lobbyarbeit sei dazu nötig – Lobbyarbeit, der auch der ehemalige Verteidigungsminister Jung, den er nur „Kriegsminister“ nennt, seine Anstellung bei Rheinmetall zu verdanken habe.
aus: Wiesbadener Kurier / Rheingau S. 9, 20.5.2020